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Monique Scheer: Emotionspraktiken/Emotion als Praxis – ein theoretisch-methodischer Vorschlag für die kulturwissenschaftliche Emotionsforschung

17.05.2013 | 12:00 c.t. - 14:00

Öffentlicher Vortrag in der Reihe "Talking Emotion"

Die kulturwissenschaftliche und historische Emotionsforschung baut bisher stark auf kommunikationstheoretische Modelle auf, die Emotionen als Diskurs (Lutz/Abu-Lughod) oder Code (Luhmann) auffassen und analysieren. Einflussreich sind auch kognitionswissenschaftliche Modelle, die Emotion vor allem mental, als Gedankenprozesse begreifen, die von einer emotional community geteilt (Rosenwein), oder einem emotional regime unterworfen werden (Reddy). Diese Zugänge fallen dadurch auf, dass sie die Gefühle in Sprache fast aufgehen lassen, den körperlichen Anteil der Emotionen weitgehend ausblenden und somit untertheoretisiert lassen. Sie reproduzieren somit eine Dichotomie zwischen Erfahrung (subjektiv) und Ausdruck (objektiv) sowie zwischen Natur (Körper) und Kultur (Repräsentation).

Der Vortrag stellt die Frage, inwiefern ein praxistheoretischer Ansatz die analytische Kluft zwischen Ausdruck und Erfahrung überbrücken und eine Wiederaufnahme des Körpers in die Analyse erlauben könnte, ohne ihn vorkulturell zu denken, sondern in Anlehnung an Bourdieu als Körper mit Habitus. Es wird mit der Praxistheorie argumentiert, dass man Emotionen als etwas denken kann, was Menschen tun, als eine Art Praxis, die mit anderen Alltagspraktiken verwoben sind, die als Emotionspraktiken verstanden werden können. Beispiele aus laufenden Forschungen sollen mögliche Perspektiven, die hierdurch eröffnet werden, verdeutlichen.

Monique Scheer

Geboren in Tulsa (OK), USA. Studium der Neueren Geschichte an der Stanford University sowie der Empirischen Kulturwissenschaft und Religionswissenschaft in Tübingen. Promotion 2005 ebenda. 2008-2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im  Forschungsbereich "Geschichte der Gefühle" des  Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin. Seit Oktober 2011 Juniorprofessorin am Ludwig-Uhland-Institut der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Forschungsschwerpunkte sind Emotionsgeschichte und -ethnologie, Religionsethnologie des Christentums, Körpergeschichte und -ethnologie sowie Ethnizität und Zugehörigkeitspraktiken.

Auswahlbibliographie:

"Are Emotions a Kind of Practice (and Is That What Makes Them Have a History)? A Bourdieuan Approach to Understanding Emotion."  History and Theory 51/ 2 (May 2012), 193-220.

"Protestantisch fühlen lernen. Überlegungen zur emotionalen Praxis der Innerlichkeit." Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 15 (2012), 179-193.

"Topografien des Gefühls."  In: Ute Frevert, Monique Scheer u.a.: Gefühlswissen. Eine lexikalische Spurensuche in der Moderne. Frankfurt a. M. 2011, 41-64.

"Emotionengeschichte als Körpergeschichte: Eine heuristische Perspektive auf religiöse Konversionen im 19. und 20. Jahrhundert."  Geschichte und Gesellschaft 35 (2009), 282-313.

Zeit & Ort

17.05.2013 | 12:00 c.t. - 14:00

Seminarraum KL 32/202, Habelschwerdter Alle 45