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Die Lust am Leid in der Literatur der Wiener Moderne

Das Projekt untersucht, wie die Autoren der Wiener Moderne das ästhetische Paradoxon von der Lust am Leid erklärt und welche Funktion sie ihm zugeschrieben haben.

Projektnr.: G 110

Daniela Schönle

Thema der Arbeit ist die Lust am Leid in der Literatur der Wiener Moderne. Untersucht werden soll, wie die Autoren der Zeit das ästhetische Paradoxon erklärt und welche Funktion sie ihm zugeschrieben haben.

„Nervenkunst“ – dieser Begriff beschreibt nach wie vor das Schaffen der Wiener Modernen am treffendsten. Als Reaktion auf den Autonomieverlust der Subjekts infolge von Industrialisierung und Technisierung und der damit verbundenen „Zersetzung kulturell konventioneller Sicherheiten“ betrieben die Autoren verstärkt „Innenschau“. In Abgrenzung zum Naturalismus wollten sie sich nicht länger mit den „Sachständen“ befassen, sondern sie bemühten sich stattdessen darum, „Seelenstände“ zum Ausdruck zu bringen. Die Auseinandersetzung mit der tragischen Lust nimmt eine zentrale Bedeutung bei der Suche nach einer adäquaten Sprache der Gefühle ein.

Mit seiner Theorie von der Katharsis lieferte Aristoteles eine nachhaltige Erklärung für das Vergnügen an tragischen Gegenständen. Im Anschluss an die medizinische Deutung des Vorgangs durch Bernays befreiten die Wiener Ärzte Breuer und Freud das Phänomen aus der Wirkungspoetik und erklärten mit der „kathartischen Methode“ die Heilung von Hysterikerinnen. Meine These ist nun, dass sich die Wiener Modernen zwar mit der Neudeutung der Katharsis auseinandergesetzt, für die Erklärung der Lust am Leid das Konzept jedoch abgelehnt haben. Statt von einer Befreiung aufgestauter Affekte auszugehen, erklärten sie - in Anlehnung an Nietzsche - das Wohlgefallen am Unglück anderer mit der Steigerung von Emotionen bis hin zum ekstatischen Erleben.

Anhand der Analyse zentraler Texte der Wiener Moderne werde ich versuchen, diese Behauptung zu belegen und darüber hinaus zu erklären, in was für einen Zusammenhang die Positionen mit der für die Jahrhundertwende charakteristischen Krise des Subjekts zu bringen sind. Von besonderem Interesse wird dabei sein, darzulegen, von welchen außerliterarischen Erkenntnissen sich die Autoren haben beeinflussen lassen. Denn wie zu zeigen sein wird, sind die Gefühlsbeschreibungen der Wiener Modernen geprägt von der regen Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Wissenschaftsdiskursen.

Disziplin

Germanistik

Betreuer

Prof. Dr. Winfried Menninghaus

PD Dr. Martin Vöhler