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Verschwiegen bis heiter - Eine pädagogische Ethnographie des Schamaffekts in der schulischen Sexualaufklärung der Sekundarstufe I

Die Ethnographie fokussiert anhand der Sexualaufklärung von vier Klassen der Sekundarstufe I, in welchen Kontexten Schamindikatoren im Unterricht auftreten. Mittels der Verortung des Schamaffekts in Bourdieus Habitustheorie werden die symbolischen Ordnungen dieser Kontexte herausgearbeitet.

Projektnr.: G 202

Sara Blumenthal

Die vorliegende pädagogische Ethnographie zeigt, dass Lehrende in der Sexualaufklärung Beschämung als Erziehungsmittel verwenden. Der Beschämung als Erziehungsmittel liegen diverse symbolische Ordnungen zugrunde, welche von der Restriktion von Jugendsexualität bis zu deren Enttabuisierung reichen. Üben Lehrende sexualitätsbezogene Beschämung gegenüber SchülerInnen aus, führt dies zu situativer sozialer Exklusion durch die Peer-Group und einer ausbleibenden Unterrichtsbeteiligung der betroffenen SchülerInnen.

Scham und Beschämung werden, wenn sie die Unterrichtsdynamik der Sexualaufklärung bestimmen, nicht als solche konzeptualisiert und somit auch nicht durch die Lehrenden pädagogisch reflektiert. Daher kann mit der vorliegenden Studie Scheffs These der niedrigen Sichtbarkeit von Scham (1988) auf die Ausübung von Beschämung übertragen werden.

Als feldspezifische Regel Lehrender in der schulischen Sexualaufklärung tritt hervor, dass Lehrende eine Thematisierung ihrer eigenen Sexualität schambedingt eingrenzen. Für die SchülerInnen ergibt sich hieraus die Möglichkeit, sexualitätsbezogene Beschämung Lehrender als „Gegenangriff“ auf die Lehrenden zu verwenden.

Bezüglich der Peer-Group Interaktionen zeigt die Studie, dass Schüler die Überschreitung von Schamgrenzen in der Sexualaufklärung zur Akkumulation symbolischen Kapitals nutzen, während sich diese Möglichkeit der Kapitalakkumulation für die Schülerinnen am vorliegenden Datenmaterial nicht zeigen lässt. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass sexualitätsbezogene Scham in den betreffenden Sequenzen in einer symbolischen Ordnung fungiert, in welcher männliche Sexualität weiblicher Sexualität durch eine Tabuisierung weiblicher sexueller Lust übergeordnet wird.

Disziplin

Erziehungswissenschaften

Betreuer

Prof. Dr. Christoph Wulf

Prof. Dr. Birgitt Röttger-Rössler